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SPIEGEL ONLINE - 27. September 2006, 10:28
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ZWIEBELFISCH
ber das Intrigieren fremder Wrter
Von Bastian Sick
In Gelsenkirchen gibt es nicht blo¦ Schalke, sondern auch ein Amphibientheater. So sagt
meine Nachbarin Frau Jackmann, und die muss es wissen. Meine Bemhungen um die
deutsche Sprache seien zwar ehrenvoll, sagt sie, aber letztlich doch eine Syphilisarbeit.
"Konkurenz ist fr uns ein Fremdwort", steht im Schaufenster eines Berliner Textilgeschfts zu lesen, und
man glaubt es dem Besitzer sofort, wenn man bercksichtigt, wie er das Wort "Konkurrenz" geschrieben
hat. Weniger glaubhaft ist die Anzeige eines Regalherstellers, in der behauptet wird: "sthetik trifft
Inteligenz".
Fremdwrter stellen uns immer wieder vor besondere
Herausforderungen. Man kann sie verkehrt buchstabieren, ihre
Bedeutung missinterpretieren, sie falsch aussprechen (viele Menschen
brechen sich regelm¦ig bei dem Wort "Authentizitt" die Zunge, sodass
oft nur "Authenzitt" herauskommt) - und vor allem kann man sie leicht
verwechseln. Whrend der Fu¦ball-WM hrte und las man hufig das
Wort "Stadium", wenn "Stadion" gemeint war. Einmal stolperte ich auch
ber das Wort "Erfolgscouch". Das war allerdings nicht in einem
Ikea-Katalog, sondern in einem Bericht ber den erfolgreichen Coach der
Schweizer Nationalmannschaft.
Meine Freundin Sibylle ist im Verwechseln von Fremdwrtern eine wahre
Virtuosin. Sie wrde vermutlich sagen: eine Virtologin. Wo ich
"euphemistisch" sage, sagt sie "euphorisch". Wo ich konzentrische Kreise
sehe, sieht sie "konzentrierte Kreise". Und wenn ich Sibylle von einem
"Astralkrper" schwrmen hre, wei¦ ich, dass ich an einen
Alabasterkrper denken muss. Immer wieder bringen sie die verflixten
Fremdwrter "in die Patrouille". Von ihrem Onkel, der wie ein Eremit in
seinem Huschen in der Toscana lebt, behauptet sie hartnckig, er lebe wie ein Emerit. Und ber sich
selbst sagt sie, dass sie hin und wieder etwas "implosiv" reagiere. Schon als Kind sei sie "ziemlich
resistent" gewesen. Ich wei¦ nicht, wie Sibylle als Kind war, aber ich vermute, sie meint "renitent". Da
fllt mir Jrg Pilawa ein, der in einer NDR-Talkshow die Sngerin Gitte Haenning fragte: "War das nicht
eine Zensur in deinem Leben?"
WWF
Kermit stand Pate: Beliebter
Darsteller im Amphibientheater
(Grner Makifrosch)
Auch meine Nachbarin Frau Jackmann streut gern mal das eine oder andere exotische Wort in ihre Rede
ein. Nach dem Einzug eines neuen Mieters war sie stundenlang damit beschftigt, die Fu¦abdrcke im
Treppenhaus zu beseitigen, die er mit seiner "Dispositionsfarbe" gemacht habe. Und berall flogen diese
"Stereopur-Flocken" herum! Ihrem geplagten Rcken zuliebe geht sie einmal pro Woche zum Masseur,
der sie mit "esoterischen len" einreibt. Au¦erdem nimmt sie jetzt regelm¦ig Kalziumtabletten ein, das
sei gut gegen "Osterprose".
Verwechselte Fremdwrter findet man stndig und berall. Ein Klassiker sind die "karikativen Zwecke",
die den karitativen Spendenaufruf zur sprachlichen Karikatur werden lassen. Einen besonders gemeinen
Stolperstein stellt auch das Wort "integrieren" dar. Auf der Homepage der Fernsehsendung "Big Brother"
las man ber die unglckliche Teilnehmerin Manuela: "Sie hofft, dass sich das Verhltnis in Zukunft
bessern wird und sie sich mehr und mehr ins Team intrigieren kann." Wenn hier nicht "integrieren"
gemeint war, dann htte der Satz anders aufgebaut werden mssen: "... und sie mehr und mehr im
Team intrigieren kann." Von Sparta auf die Sporaden verirrt hatte sich jener Autoredakteur, der ber die
Ausstattung des neuen Dodge Viper schrieb, sie sei "alles andere als sporadisch". Solange nur der
Redakteur vom Kurs abkommt und nicht das Auto, mag's ja noch gehen.
In Bayern hingegen scheinen die Dinge vllig aus dem Ruder zu laufen, da werden ffentlich Gtzen
angebetet. Als in der Gemeinde Gilching im November 2005 ein sogenannter Friedenspfahl aufgestellt
wurde, meldete die Lokalausgabe der "Sddeutschen Zeitung": "2,20 Meter hoher Basilisk in Gilching
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eingeweiht." Ein Basilisk ist (wie jeder "Harry Potter"-Leser wei¦) ein mythisches Schlangenwesen.
Vielleicht hatte die Redakteurin am Vorabend einfach zuviel Basilikum gegessen, jedenfalls kam sie nicht
auf das Wort Obelix - pardon: Obelisk.
Gelegentlich bildet die Volksetymologie aus deutschen Bausteinen fremd anmutende Wrter. Einmal
brannte in Hamburg-Tonndorf ein Imbiss ab. Schuld war der Wrasenabzug. Das Wort "Wrasen" ist
norddeutsch und bedeutet Dunst. Die Tonndorfer Feuerwehr hat ein griechisches Wort daraus gemacht,
denn in ihrem Bericht konnte man lesen: "Das Feuer war ber den Phrasenabzug des Hhnchengrills in
den Zwischendeckenraum gelaufen und hat dort durchgezndet." Von einer solchen Vorrichtung knnen
Sprachpfleger nur trumen! In meinem nchsten Leben werde ich Imbissbudenbesitzer!
Der Umgang mit Fremdwrtern verpflichtet uns freilich nicht zu gr¦erer Sorgfalt als der Umgang mit
dem Vokabular unserer Muttersprache. Fehler mit Fremdwrtern sind nicht schlimmer als Fehler mit
deutschen Wrtern. Sie sind nur oft komischer.
Wenn zum Beispiel eine Agentur fr Medien und Marketing in einem Pressetext behauptet, 42 Prozent der
Deutschen frchteten eine Rezension. So viele Schriftsteller - und nur ein Marcel Reich-Ranicki? Wie soll
der das blo¦ schaffen? Oder wenn man ber einen verfolgten Autor lesen muss, dass er "in erster Distanz
freigesprochen" worden war.
Als vor ein paar Jahren der Rinderwahn umging, erzhlte ich Sibylle, dass man im Bioladen bei mir um
die Ecke "Gtterspeise ohne Gelantine" bekommen knne. Da brach sie in schallendes Gelchter aus und
verbesserte mich: "Das hei¦t Gelatine!" - "Tatschlich? Dann habe ich dem Knochenpulver mein Leben
lang zu viel Galanterie beigemischt." - "Siehst du, auch dir passiert mal ein Flapsus", stellte Sibylle mit
Genugtuung fest. "Gegen Irrtmer ist niemand gefeit!", pflichtete ich ihr bei. "Stimmt", erwiderte Sibylle
vergngt, "nicht mal eine Konifere wie du!"
Fremde Wrter - kurz erklrt
Fremdwort
Bedeutung
Alabaster (m.)
marmorhnliche Gipsart
amphi
griech. Vorsilbe mit der Bedeutung: auf beiden Seiten, beidseitig, um ... herum, zwei
Amphibium (s.), Amphibie
(w.)
"doppellebiges" Kriechtier: ein zu Wasser und zu Lande lebender Lurch
astral
die Sterne betreffend, Stern-
sthetik (w.)
Lehre vom Schnen
therisch
therartig, flchtig
esoterisch
Wortbedeutung:"nach innen gerichtet"; Adjektiv zu "Esoterik": Lehre mit okkultistischen und
astrologischen Elementen
Authentizitt (w.)
Echtheit, Glaubwrdigkeit, Zuverlssigkeit
Bredouille (w.)
Bedrngnis, Verlegenheit, schwierige Situation
Patrouille (w.)
Sphtrupp, Soldaten auf Kontrollgang
Couch (w.; schweiz. auch
m.)
Sofa
Coach (m.)
Trainer oder Betreuer eines Sportlers oder einer Sportmannschaft
Dispersion (w.)
chem. Begriff: gleichm¦ige Verteilung eines Stoffes in einem Lsungsmittel (z.B. Farbpigmente)
Disposition (w.)
Verfgung, Planung, (genetische) Veranlagung, Einstellung
Emerit(us) (m.)
dienstunfhiger Geistlicher
emeritieren
in den Ruhestand versetzen
Eremit (m.)
Einsiedler
euphemistisch
mildernd, beschnigend, verschleiernd
euphorisch
in gehobener Stimmung, heiter
Gelatine (w.)
Bindemittel aus Knochenpulver
Implosion (w.)
schlagartiges Zusammenfallen eines Hohlkrpers durch u¦eren berdruck
impulsiv
spontan handelnd, einer pltzlichen Eingebung folgend
Instanz (w.)
Verfahrensabschnitt (Gericht), zustndige Stelle (Behrden)
Distanz (w.)
Entfernung, Strecke, Abstand, Zurckhaltung
Intelligenz (w.)
geistige Fhigkeiten
integrieren
aufnehmen, einschlie¦en
intrigieren
Rnke schmieden
karikativ
wie eine Karikatur, ironisierend
karitativ
mildttig
Konifere (w.)
Nadelbaum
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